
Mach dich auf von Keri Smith
Mach dich auf, Tag für Tag, auf einen Weg, der kein Ziel hat, aber
zu etwas führen wird…. Sich treiben lassen, die Bewegung genießen,
die Umgebung aufmerksam wahrnehmen, sich auf sich selbst besinnen,
tief durchatmen und sich einmal ausklinken aus den Anforderungen des
Alltags. Auf diesen Weg führt dich die geheimnisvolle Organisation,
der du in diesem Buch begegnest: JOINT THE WANDER SOCIETY!
Um was es eigentlich geht:
Es geht um die geheimnisumwobene “Wander Society”, deren Mitglieder
sich nicht kennen, sich nicht treffen, sich nicht outen. Sich aber
durch verschiedene Zeichen gegenseitig auf sich aufmerksam machen. Ein Blitz in einem Kreis ist
das Grundzeichen des WANDER SOCIETY.
Der amerikanische Dichter Walt Whitman wird fast als Gründer
gefeiert. Dumm nur, dass er schon 1892 starb, während es die Wander Society erst seit 2011 gibt.
Man könnte sagen, dass es hier um Achtsamkeit geht, die aber sehr
mystifiziert wird.
Am Ende gibt es noch ein Kapitel mit praktischen Tipps. Z.B. wie man
ein Notizheft bastelt, sich einen Pulswärmer strickt oder sich ein
Abzeichen mit einem Blitz bastelt.
In Fußnoten schreibt die Autorin Anmerkungen zu dem, wie sie das
jeweilige selbst erlebt hat.
Meine Meinung:
Fangen wir mit dem Positiven an. Das Buch ist wunderschön gestaltet.
Der gelbe Rand ist aus Leinen, das Papier scheint Umweltpapier zu
sein. Es fühlt sich jedenfalls toll an. Und die Bilder im Buch sind
wirklich schön.
Das war es dann auch leider schon, was ich an Positivem sagen kann.
Ich habe seit langem nicht mehr so ein schlechtes Buch gelesen.
Dabei habe ich mich wirklich drauf gefreut, da ich viel spazieren gehe.
Das hier erscheint mir alles sehr sektenmäßig.
Ich will im Folgenden versuchen näher darauf einzugehen.
Wandern bedeutet hier im gegenwärtigen Moment zu sein, die
alltägliche Probleme hinter dir zu lassen, aber auch “durch ein
geheimes Tor in eine andere Bewusstseinsebene” zu treten. “Die Zeit
fließt, dein Geist öffnet sich. Du bekommst eine Menge magischer
Erfahrungen geschenkt – Erfahrungen, die nur für dich bestimmt
sind.” Es bedeutet, sich “der Gesellschaft zu widersetzen” und “die
Welt zu retten”. Okey…
Zwischen durch schreibt sie Sachen, die man eindeutig unter “achtsam
sein” verbuchen kann und die wirklich schön sind. “Etwas bestimmtes
zu suchen und etwas anderes zu finden . […] Ein Buch, das im Regal
neben dem steht, das du gesucht hast.” Aber dann kommt sie wieder
mit dem Mystischen. “Wandern verändert tatsächlich unser
Bewusstsein. Wenn du kontinuierlich wanderst, wirst du irgendwann
Zugang zu diesem erweiterten Bewusstseinszustand erlangen. Du wirst
in der Lage sein, die Verbundenheit aller Lebenden zu erfahren.” Sie
meint hier scheinbar mehr als die normale Achtsamkeit. Sie redet vom
“kosmischen Bewusstsein”. “Oft wird das [Wandern] von einem
“elektrischen” Gefühl begeleitet, als ob deine Moleküle mit höchster
Frequenz schwingen. Vielleicht möchtest du am liebsten loslaufen und
schreien.” Verzeiht die unsachliche Bemerkung, aber ja, beim Lesen
dieses Buches wollte ich ziemlich oft schreiend davon laufen.
Dann fordert sie einen auf, nicht mit anderen über das Wandern zu
reden, wenn sie das nicht hören wollen, da viele dafür nicht offen
seien.
Also ich habe mich immer wieder gefragt: Ist das in Amerika wirklich
so ein großes Ding? Ich kam darauf, weil ich mal gelesen habe, dass
man in Amerika komisch angesehen wird, wenn man zu Fuß läuft. Aber
hier in Deutschland ist Wandern doch das normalste der Welt. Haben
wir Europäer das nicht erfunden? 😉
Es ist doch auch völlig normal, dass man die Natur genau wahrnimmt,
wenn man wandern geht. Ich war heute morgen im Wald. Der Frühling
sprießt, die Vögel singen, die Sonne schien – natürlich habe ich Ruhe und
Freude empfunden und Dankbarkeit, wie toll doch unsere Welt sein
kann. Sie dagegen nennt meine gerade aufgezählten Sachen
“Gipfelerlebnisse”. Sie macht ein riesiges Ding aus den normalsten
Sachen. Bzw diese ganze WanderSocity scheint ein riesiges Ding darauß zu
machen.
Sie verteilen Zettel in der Stadt, um auf ihre Bewegung aufmerksam zu
machen. Unter den praktischen Tipps wird auch erklärt, wie man selber so
einen Zettelkasten baut.
Was mich ziemlich geärgert hat, dass sie alles Elektronische
schlecht macht und dabei alle über einen Kamm schert.
Die Bewegung sei überhaupt erst als Gegenbewegung zu unsere
Gesellschaft entstanden. Interessant, dass als berühmte Mitglieder
aber lauter Tote aufgezählt werden. Aber dazu weiter unten mehr.
Sie schreibt zB, wenn wir unsere freie Zeit mit Elektronik ausfüllen,
werden wir nie unsere innere Stimme hören.
sind, weil wir nicht hinhören.” (S. 31)
“Unsere Intuition sendet uns häufig Botschaften, die gesellschaftlichen
Normen zu wiederlaufen. An einem heißen Tag sehnst du dich vielleicht
danach, nackt in einem See zu baden. Solche Sehnsüchte werden dir
verrückt und überspannt vorkommen.”
Problem?! Also ich bin kein Nacktbader, aber frage mich trotzdem, warum
das jemandem verrückt und überspannt vorkommen soll? Und kann dabei nur
wieder denken: Ok, ist das wieder ein amerikanisches Problem? Dann frage
ich mich aber, was wir in Deutschland mit dem Buch anfangen sollen?
Ernsthaft.
Es folgt ein Kapitel, wie man die Geister anderer großer Wandere und
Denker herbeirufen kann…. Ich sag generell nichts dagegen, wenn jemand
daran glaubt. Aber dann soll das Buch doch bitte so gekennzeichnet
sein. Wenn man den Klappentext liest, kommt man doch nicht drauf, dass
es so dermaßen esoterisch ist.
Im Weiteren folgt eine Liste mit anderen Wanderern. Ich vermute mal, dass die
meisten sich “bedanken” würden, ungefragt in diese WanderSociety
aufgenommen worden zu sein. Aufgenommen wurde jeder großer Denker, der
gerne spazieren gegangen ist. Bei Aristoteles angefangen, Ludwig
Wittgenstein, Viginia Woolf, George Orwell, Charles Dickens, Oscar
Wilde, Hermann Hesse usw. . 14 Seiten mit berühmten Namen. Das macht
sich natürlich gut, sich mit diesen Namen zu schmücken. Mich dagegen
macht es echt ärgerlich. Vielleicht ist es Keri Smith entgangen, dass es
vor 110 Jahren noch keine Autos gab und man daher zwangsläufig viel
laufen musste.
Nur die wenigstens der aufgezählten Persönlichkeiten leben noch. Und
zumindest bei einem, nämlich bei dem Mönch Thich Nhat Hanh, kann ich
sagen: Mrs Smith hat seine Werke nicht verstanden. Oder nicht gelesen.
Dann folgen ein paar Tipps zur Geheimhaltung. Denn “die Gesellschaft hat
kein Verständnis”. “Niemand braucht etwas über deine Wanderungen zu
wissen.” Man soll zB Kleidung in gedeckten Farben anziehen.
Darunter ist ein Zitat von Virgina Woolf gesetzt, aus ihrem Roman Mrs
Dalloway, die sich am liebsten unsichtbar gemacht hätte. Wieder so was,
was mich total ärgert, weil das Zitat völlig aus dem Kontext gerissen
ist. Die Figuren in dem Roman haben nämlich eine Menge psychischer
Probleme. Das hat doch überhaupt nichts mit dem Wandern zu tun, wenn sie
sich unsichtbar machen will.
Ich kann hier nur ein Herz vergeben und das gilt allein der Aufmachung und Gestaltung des Buches.
Hey Lilly,
ich selbst bin recht spirituell im Leben unterwegs (mache Reiki, lege Karten, etc.), bin also durchaus offen. Aber… was du hier berichtest, das hört sich einfach nur verrückt an. Vor allem sehe ich das wie du: Wandern ist das Normalste der Welt und warum sollte man nicht mit anderen darüber reden. Daraus nun eine neue spirituelle Methode machen zu wollen hört sich sehr strange an. Oder steht Wandern hier als Synonym für irgendetwas anderes, von dem wir nichts wissen? 😉
Meinen Respekt, dass du bis zum Ende durchgehalten hast.
LG
Yvonne
Hallo Yvonne,
*lach* das habe ich mich auch mehrmals gefragt, ob ich das ganze vielleicht nicht verstanden habe. Deswegen habe ich auch so viel zitiert. 😀
Mit das größte Problem finde ich, dass das Buch eben nicht als solche spirituelles gekennzeichnet ist. Ich habe kein Problem damit, wenn jamdn was anderes glaubst als ich. Aber ich will keine Birne bekommen, wenn ich einen Apfel gekauft habe.
Durchgehalten habe ich nur, weil ich es als Reziexemplar bekommen habe. Und ich habe ja auch ewig gebraucht für das Buch. :))
Liebe Grüße
Lilly
Huhu!
Ok, das klingt wirklich ziemlich strange… Ich bin ja sehr offen dafür, mal was Neues auszuprobieren, ein bisschen Achtsamkeit für sich zu entdecken und so weiter – ich mache zum Beispiel Yoga, ich meditiere, ich schreibe Sachen auf, für die ich dankbar bin -, aber das klingt wirklich mehr nach einer schrägen Wander-Sekte.
Ich habe diesen Beitrag HIER für meine Kreuzfaht durchs Meer der Buchblogs verlinkt!
LG,
Mikka
Ich habe in meinem Kommentar aus Versehen die Kreuzfahrt von letzter Woche verlinkt, HIER ist die von dieser Woche, bei der ich auch deinen Beitrag verlinkt habe!
Hallo Mikka,
ich bin froh, dass ich es nicht alleine so lese. Ich habe beim lesen immer wieder gedacht:Kapier ich vielleicht was nicht? Deswegen habe ich auch so viel zitiert.
Denn eigentlich bin ich auch immer offen für Neues.
Es freut mich voll, dass Du auch meditierst. Es klappt bei mir nicht so gut, aber ich bin immer wieder dran. Und ich schreibe auch jeden Abend auf, für was ich an dem Tag dankbar war.
Vielen Dank für die Verlinkung.
Liebe Grüße
Lilly
Hallo Lilly,
mir ging es genauso wie Dir. Mir hat hauptsächlich die Aufmachung des Buches gefallen und den Rest konnste echt vergessen. Ich habe mir echt mehr versprochen bei diesen Buch. Allerdings habe ich es (leider) nicht so ausführlich besprochen wie Du, dafür wußte ich einfach nichts zu sagen zu dem Inhalt. Stimmt, es hört sich sehr sektenartik an. Und außerdem habe ich da nicht so recht durchgeblickt?
Ganz liebe Grüße
Anja vom kleinen Bücherzimmer
Hallo Anja,
Gott-sei-Dank!
Am Anfang habe ich ja echt an meinem Verstand gezweifelt. Dachte immer nur: Was genau kapierst Du nicht?! ^^
Und dann hatte ich eine zeitlang ein furchtbar schlechtes Gewissen dem Verlag gegenüber. Deswegen habe ich auch so lange für die Rezi gebraucht. Mal von den vorablesen Bücher abgesehen, ist es eines der ersten Bücher die ich "einfach so" vom Verlag bekommen habe. Und ich dachte als, die sind doch jetzt nicht begeistert, wenn ich so einen Veriss schreibe. Mein schlechtes Gewissen und mein Gefühl, ob ich einfach zu dumm war, das Buch zu verstehen, hat mich dann veranlasst, es so ausführlich zu machen.
Und ich war so dankbar, als ich Deine Rezi bei amazon gesehen habe. Das hat mir dann auch nochmal den Mut gegeben, ganz ehrlich darüber zu schreiben.
Danke!! ♥
Liebe Grüße
Lilly
Huhu Lilly,
als ich eben so den Anfang gelesen habe, dachte ich mir: Das klingt doch richtig gut. Ich habe schon mal ein Achtsamkeitsbuch gelesen, was mir sehr gefallen hat. Ich finde solche Bücher motivieren dazu sich mal wieder zu hinterfragen und die Augen für die Dinge zu öffnen, die man im Alltag leider oft vernachlässigt.
Dann hast du jedoch ausgeholt und auch die Zitate gebracht. Ich kann so gut verstehen, warum dir dieses Buch dann so gar nicht mehr gefallen hat. Diese mystischen Andeutungen und diese sektenähnlichen Bemerkungen wären etwas, was auch mir übel aufgestoßen wäre.
Schade, dass das Buch in diese Richtung abgedriftet ist.
Ganz liebe Grüße
Tanja
Huhu Tanja,
ich lese schon auch viele Bücher über Achtsamkeit. Versuche das auch umzusetzen, meditiere auch immer mal wieder (leider krieg ich es regelmäßig nicht hin).
Aber das hier war echt merkwürdig.
Ja, wirklich schade.
Liebe Grüße
Lilly
Ups, das klingt ja völlig absurd. Damit hätte ich auch absolut nicht gerechnet und ich habe etwas Respekt, dass du das durchgehalten hast. Zu Achtsamkeit gehört ja auch so ein bisschen, das Schöne in alltäglichen Dingen zu sehen, aber man muss es wirklich nicht so extrem künstlich aufbauschen. Für mich ist spazieren gehen jetzt auch nichts besonderes und wieso zur Hölle sollte man darüber nicht reden dürfen?! Ohje. Da wäre es wirklich gut gewesen, wenn das Buch im Klappentext darauf hinweisen würde, was einen da erwartet.
Guten Morgen,
das hast Du perfekt gesagt: Das Schöne im *alltäglichen* sehen. Das hat die Autorin scheinbar nciht begriffen.
Wenn es nicht mit das erste Buch gewesen wäre, dass ich von einem Verlag bekommen habe, hätte ich es auch sicher nicht zu Ende gelesen. Aber ich hatte total das schlechte Gewissen: Da schenkt mir der Verlag ein Buch… und da kann ich das doch nicht schlecht bewerten. Ich habe für das Buch und die Rezi auch ewig gebraucht.
Das der Klappentext so ganz anders ist, finde ich auch total schwierig. Wenn ich mir das Buch gekauft hätte, es kostet ja auch nicht wenig, hätte ich mich tot geärgert.
Liebe Grüße
Lilly
Dass man ein Buch vom Verlag nicht schlecht bewerten möchte, kann ich gut nachvollziehen, aber manchmal muss es eben sein. Und so bewahrst du vielleicht andere Leute vor dem gleichen Fehler.
Da hast Du recht. Ich bin letztlich auch froh, dass ich es gemacht habe.
lg
Lilly
Hallo Lilly
ich musste deine Rezension jetzt zweimal lesen und habe es immer noch nicht kapiert. Die Autorin ruft zum Wandern auf aber bitte alleine und mit niemanden darüber sprechen?
Wie schräg ist das denn?
Wir waren früher in einem Verein, da sind hunderte Menschen gewandert, gemeinsam und da wurde definitiv drüber gesprochen.
Ich wandere jeden Tag (mit dem Hund) und dabei höre und sehe ich so vieles das mich inspiriert. Es kann sogar sein das ich ein Buch dabei habe um eine Szene passend zum Inhalt darzustellen.
Wenn mich irgendwann mal jemand dabei sieht…oha 😉
Sind es nicht gerade die Dinge die uns inspirieren und begeistern von denen wir liebend gerne sprechen?
Wenn ich mal wieder durch den Wald bin oder einen wilden (klitzekleinen) Bach bezwungen habe oder die wilden Böumenwiese entdeckt habe möchte ich das doch teilen.
Genau da sehe ich den Sinn – schönes weiterzugeben als es zu verstecken.
Irgendwie habe ich den Sinn des Buches immer noch nicht begriffen 🙂
Wünsche dir eine gute Zeit
Liebe Grüße
Kerstin
#litnetzwerk
Hallo Kerstin,
*lach* da weißt Du, wie es mir beim Lesen ging. Ich dachte als: Was verdammt kapier ich nicht?!
Bin auch super froh, dass es Anja vom kleinen Bücherzimmer genau so ging, weil ich zwischen durch echt gezweifelt habe, ob ich einfach zu doof bin, es zu kapieren.
Deswegen habe ich letztlich auch so viel zitiert. Ich frag mich auch immer wieder, was sich der Verlag dabei gedacht hat. Und die Frage mein ich ganz neutral. Ich finde, das esoterische passt auch irgendwie gar nicht zum Verlag.
Vielleicht stört es die Geister, wenn man nicht alleine ist. 😉
Ich sehe das ganz genau wie Du.
Jacquy hat es auch so schön formuliert, dass Achtsamkeit doch auch ist, das Schöne im Alltäglichem zu sehen.
Lieben Dank für Dein Kommi!
Lilly
[…] Beziehung einfach ab, als hätte man nie ein Wort miteinander gewechselt. Meinen ersten Verriss habe ich geschrieben. Das ist mir wirklich schwer gefallen. Und falls Ihr Lust habt, hier […]
[…] Es ist einfach total esoterisch, aber das wird auf dem Klappentext nicht deutlich. (-> Rezension) Ich bin dem Antje Kunstmann Verlag unglaublich dankbar, dass sie es so gelassen hingenommen […]