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[Rezension]Das Mädchen, das in der Metro las
Das Mädchen, das in der Metro las
Autorin: Christine Féret-Fleury
Übersetzung: Sylvia Spatz
Verlag: Dumont (22.05.18)*
ISBN-10: 3832198865
Seite: 176
Statt einer Widmung:
“Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.”
Jorge Luis Borgers
Inhalt:
Juliette fährt jeden Tag mit der Metro zur Arbeit. Dabei beobachtet sie die Menschen, genauer gesagt: Die Leser.
Da ist der Mann mit dem grünen Hut, der Insektenbücher liest, die Frau, die immer das Buch auf einer bestimmten Seite zu schläg, die alte Dame mit dem Kochbuch.
Juliette merkte sich, welche Bücher die anderen lasen und erfand Abzählreime, um sie sich zu merken.
Eines Tages stieg sie früher aus der Metro aus und begegnete so Soliman und seiner Tochter Zaïde. Soliman lebte in einem Büro, das von unten bis oben voll mit Büchern ist.
Büchern aus zweiter Hand. Soliman hat eine Mission und fragt Juliette, ob sie ihm dabei helfen will. Dazu fühlt sie sich nicht in der Lage, doch dann passiert ein Ereignis, das ihr Leben verändert.
Meine Meinung:
Mir ging das Buch richtig ans Herz.
Es ist nicht immer leicht zu lesen, denn Juliette macht viele Gedankensprünge. Gerade am Anfang habe ich einen Moment gebraucht, bis ich wusste, wie ich so manches einordnen musste. Die Sprache ist so voll (Bücher)Poesie, was mich sehr berührt hat.
“Sie konnte den Inhalt der Bücher nicht sehen – in denen es von unzähligen Sätzen und Wörtern wimmelte wie in einem Ameisenhaufen -, doch die Bücher durchschauten sie sehr wohl. Sie setze sich ihnen mit Haut und Haaren aus. Erregt leichte Beute, ohne Deckung und ohne Instinkt zur Flucht oder Selbtverteidigung, beim Räuber Argwohn? Aber waren die Bücher überhaupt wie kleine Raubtiere, die nur davon träumten, ihren papierenen Käfigen zu entkommen, sich auf sie zu stürzen und sie zu verschlingen?
Vielleicht. Doch das machte ihr nichts aus. Sie ließ sich nur allzu gerne verschlingen. Diese Lust hielt sich nachts wach, trieb sie im Morgengrauen aus dem Bett und ließ sie noch spätabends beim Licht einer Lampe[…] ausharren[…]”.
Ich bin bei französischen Romanen immer ein bisschen skeptisch, da ich finde, dass die Protagonisten oft etwas distanziert dargestellt sind. Das ging mir hier überhaupt nicht so. Die Protagonisten sind sicher leise geschildert, aber voller Herzenswärme.
Ich finde, auch die Botschaft des Buches klingt nur leise heraus und ich frage mich, ob das Buch deswegen so viele negative Kritiken bekommt.
Denn es geht hier um weit mehr, als nur um Bücher.
Es geht um das Leben an sich.
Um die Entscheidung, wie man sein Leben lebt. Um das, was wirklich wichtig ist und wirklich zählt. Um den Mut, seine Ängste zu überwinden. Den sonst kann es manchmal zu spät sein.
Und wenn es dazu auch noch Bücher gibt, was will man mehr?!
“Sollte man eigentlich, überlegte sie, [….] die Länder bereisen, die man durch Bücher lieben gelernt hatte? Gab es diese Länder überhaupt? Das England einer Virgina Woolf war sicher ebenso verschwunden wie das der Orient aus Tausendundeiner Nacht oder das Norwegen von Sigrid Undset. Und das Venedig von Thomas Mann existierte nur noch in den üppigen Bildern von Luchino Visconti. Und Russland… Von den Schlittentroikas, mit denen die Grafen unermüdlich durch die winterliche Steppe fuhren, erblickte man Wölfe, Hütten auf Hühnerfüßen, ganz wie
aus Mussorgskys Bilder einer Ausstellung, schier grenzenlose schneebedeckte Weiten, dunkle gefährliche Wälder und Feenpaläste.[…]”
aus Mussorgskys Bilder einer Ausstellung, schier grenzenlose schneebedeckte Weiten, dunkle gefährliche Wälder und Feenpaläste.[…]”
Ich mochte diese Gedankenspiele mit den Buchtiteln sehr.
Fazit:
Durch die Gedankensprünge nicht immer einfach zu lesen und durch die leise Art muss man schon genau hinhören. Es ist kein Buch, was man einfach so wegliest.
Doch für mich hat das Buch Potential, ein Herzensbuch zu werden.
Lieblingszitat:
“Wortschmetterlinge, die in dem überfüllten Metro-Waggon flatterten, bevor sie sich auf Juliettes Fingerspitzen niederließen.”
4,5 ♥ ♥ ♥ ♥ ♥
Ich danke dem Verlag herzlich für das Rezensionsexemplar.
Hach, mein Herz geht auf, liebe Petrissa. Wenn es doch nur so einfach wäre, wie Petra Hartlieb es in ihrem Buch "Meine wundervolle Buchhandlung" beschreibt (das lese ich gerade), einen Job in einer Buchhandlung – oder besser noch in einem Antiquariat – zu bekommen – dann würde mein Traum wahr werden, der so aber nur ein Wunschtraum bleibt.
Ich freue mich auf das Buch, es müsste schon unterwegs sein.
Liebe Grüße, Anne
Liebe Anne,
ich weiß nicht, ob ich Dir schon mal von meinem Antiquariat hier erzählt habe. Der Beseitzer war früher Automechaniker. 🙂 Und irgendwann hat er sich den Laden gemietet und bekommt nun immer bei Wohnungsauflösungen die ganzen Bücher. Das ist so viel, dass man sich in dem Raum kaum noch bewegen kann. Früher war ich da ganz gerne, obwohl der Typ viel redet. (Was schwierig ist, wenn man sich aufs Lesen konzentrieren will.) Aber er ist doch recht teuer. Für ein "normales", altes Buch (also kein antiquarisch wertvolles) zahlt man schon so zwischen 6-8€.
Manchmal ist weniger halt mehr. Also wenn sein Laden nicht so vollgestopft wäre und er wirklich auswählen würde, würde er sicher mehr Leute anlocken.
Liebe Grüße
Petrissa
Ich denke mal, das ist alles Geschmackssache. Gut, den Preis finde ich für ein gebrauchts Buch auch zu hoch, da kann man sich fast das neue kaufen.
Ich war mal in einem, da konntest Du kaum noch die Treppen hochkommen. Da habe ich richtige Schätze mit nach Hause genommen, unter anderem eine ganze Reihe Bücher von Colette. Die wollte ich auch schon längst mal lesen, weil die wohl auch ziemlich autobiografisch sind.
In den Laden wäre ich am liebsten gleich eingezogen 🙂
Liebe Grüße, Anne
Hu hu, Petrissa, ist heute angekommen 🙂
Hey Petrissa,
das Buch möchte ich sehr gerne lesen und deine Rezi hat mich darin bestärkt. Sehr schön geschrieben übrigens. Ich mag solche Bücher gerne, die eher ruhig sind und man langsam & aufmerksam lesen muss, um die Botschaft wahrzunehmen.
lg, Tine
PS: Ich finde deine Buchfotos schön =)
Hallo Tine,
aww, danke für Dein Kompliment zu den Fotos! Darüber freue ich mich sehr.
Ich bin gespannt, wie Du das Buch finden wirst!
Liebe Grüße
Petrissa
Hallo Petrissa,
mittlerweile habe ich das Buch durch. Was die Gedankensprünge angeht, gebe ich dir Recht. Ich hatte öfters das Gefühl, dass die Geschichte viele kleine Handlungsstränge aufgreift und dann nicht zu Ende führt. Dennoch beinhaltet der Roman eine schöne Botschaft. Der Schreibstil hat mir auch sehr gut gefallen. Ich fand ihn fast ein wenig poetisch. Und ja, das Buch kann man nicht einfach so runterlesen. Ich habe es öfters mal einen Moment beiseite gelegt und dann kurz danach wieder weitergelesen.
Ganz besonders die Liebe zur Literatur, die Liebe zur Geschichte hinter den Büchern und ihren Besitzern, hat mir auch sehr gut gefallen :o)
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Hallo Tanja,
es freut mich sehr, dass es Dir ähnlich ging! Ich kann die ganzen negativen Bewertungen nur schwer nachvollziehen.
Ja, so ging es mir auch. Ich mochte ja den Mann mit dem grünen Hut so unheimlich gerne! Über den hätte ich gerne mehr erfahren.
Ich bin auf Deine Rezi gespannt.
Sei lieb gegrüßt
Petrissa
Das Buch ist eines der nächsten, das auf meiner Leseliste steht.
Bislang habe ich noch keine Rezension dazu gelesen und auch Deine habe ich nur angelesen (um nicht zuviel zu erfahren), aber wenn Dir das Buch ans Herz gegangen ist, dann bin ich schon sehr gespannt.
Liebe #litnetzwerk-Grüße
Daggi
Hallo Daggi,
ich lese auch nie Rezensionen, wenn ich ein Buch sicher lesen will. Ich finde es auch immer wieder erschreckend, wieviel Leute verraten. Gerade auch wenn es das Buch bei vorablesen gab, wie das hier ja auch. Da liest man manchmal den kompletten Inhalt, bis zum Ende hin.
Ich hoffe, es wird Dir ebenfalls gut gefallen und bin schon auf Deine Meinung gespannt.
Liebe Grüße
Petrissa
Oh ja, das ist auch so ein Thema. Ich mach mir Gedanken darüber, wie ich einen ganz wichtigen Punkt einer Geschichte nicht verrate und nach dem Veröffentlichen schaue ich andere Rezis an und finde das Geheimnis des Romans offen ausgebreitet vor mir. Da könnte ich platzen.
Übrigens solltest Du morgen (nach 6.30 Uhr) unbedingt mal auf meinem Blog vorbei schauen, ich denke, was Du da liest, wird Dich freuen. Aber wirklich erst nach halb sieben 😉
LG
Daggi
Hi Petrissa,
eine wundervolle Buchbesprechung – man merkt, dass du Bücher genauso liebst wie die Protagonistin…
Grad das Zitat, dass du ausgewählt hast, dass es die Länder aus denen Büchern so gar nicht gibt. Es sind Länder, die man im Herzen hat und nicht unbedingt in der Realität. Ne ces pas?
Hallo Daniela,
Danke für Deine lieben Worte!
Ja, das stimmt. Und noch mehr. Es sind die Begegnungen, die man im Herzen hat. Und die wird man so nie erleben.
Herzlich
Petrissa
[…] “Das Mädchen, das in der Metro las” fand ich toll! “Die Schöne und das Biest” und “Das Labyrinth der Worte” liegen auf dem Sub. […]